Sollte dieses Dokument nicht korrekt angezeigt werden, klicken sie bitte hier:
http://www.ifm-bonn.org/fileadmin/data/redaktion/ueber_uns/newsletter-archiv/newsletter-archiv-0319.html
IFM Logo

Der Forschungsnewsletter zum Mittelstand

– ein kostenloser Service des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn

Ausgabe 3/2019 / 13. September 2019

Inhalt

  ➜ Editorial
  ➜ Unterschiedliches Bürokratieverständnis
  ➜ Warum weniger Frauen gründen
  ➜ Dem "Mythos Mittelstand" auf der Spur
  ➜ Gute Finanzierungsmöglichkeiten in Deutschland
  ➜ Chancen und Risiken von Unternehmensnachfolgen durch Arbeitnehmer
  ➜ Immer weniger Auszubildende in den Kleinstbetrieben
  ➜ Aktualisierte IfM-Statistiken
  ➜ Aktuelles aus dem IfM Bonn

Editorial

Foto Prof. Dr. Welter Liebe Newsletter-Abonnentinnen und Abonnenten,

viele Führungskräfte fühlen sich nicht mehr in der Lage, alle bürokratischen Vorgaben zu erfüllen. Zugleich stellen sie den Sinn vieler Vorschriften in Frage. Entsprechend werden die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung skeptisch betrachtet und der eigentliche Sinn von Bürokratie wie Rechtssicherheit und Gleichbehandlung verkannt. Dies ist ein Ergebnis unserer Unternehmensbefragung zur Bürokratiewahrnehmung. Erstmals wurde in diesem Forschungsprojekt nicht der messbare Zeit- und Kostenaufwand untersucht, sondern die Gründe, warum die Bürokratieentlastungsmaßnahmen der Bundesregierung – die es ja zweifellos gibt – nicht in den Unternehmen wahrgenommen werden. Mehr hierzu lesen Sie im Beitrag "Unterschiedliches Bürokratieverständnis".

Neben der Bürokratiewahrnehmung haben wir uns in den vergangenen Monaten unter anderem auch mit dem Rückgang des Frauenanteils an den Existenzgründungen im gewerblichen Bereich sowie den Chancen und Risiken einer Unternehmensübergabe an Mitarbeiter beschäftigt.

Eine interessante und spannende Lektüre unserer aktuellen Forschungsergebnisse wünscht Ihnen

Prof. Dr. Friederike Welter
Präsidentin des IfM Bonn

Unterschiedliches Bürokratieverständnis

Was verstehen Unternehmensvertreter und Unternehmensvertreterinnen unter Bürokratie? Die Mehrheit der Unternehmensverantwortlichen verbindet mit diesem Begriff sowohl die Dokumentations- und Informationspflichten und den Aufwand, der mit ihrer Erfüllung verbunden ist, als auch halböffentliche Vorgaben von Selbstverwaltungsorganisationen der Wirtschaft, Normungsinstituten oder Berufsgenossenschaften sowie privatwirtschaftliche Regulierungen, die sich beispielsweise aus den Kunden-Lieferanten-Beziehungen ergeben.

Die politisch Verantwortlichen beschränken hingegen den Begriff auf die Dokumentations- und Informationspflichten sowie auf die Kosten und den messbaren Zeitaufwand, die mit der Erfüllung der rechtlichen Vorschriften verbunden sind (Erfüllungsaufwand).

Der Bürokratie-Begriff aus Unternehmenssicht

Der Bürokratie-Begriff aus Unternehmenssicht

Drei Wahrnehmungstypen

In der Studie "Bürokratiewahrnehmung von Unternehmen" identifizierten die IfM-Wissenschaftler drei Wahrnehmungstypen: Die Verdrossenen, die sich unverhältnismäßig stark vom bürokratischen Aufwand belastet fühlen und häufig sehr emotional auf das Thema "Bürokratie" reagieren. Die Pragmatischen, die zwar auch die Bürokratiebelastung als vergleichsweise "hoch" empfinden, damit aber wesentlich sachlicher als die Verdrossenen umgehen. Und die Unbelasteten, die sich durch einen eher sachlichen Umgang mit Bürokratie auszeichnen.

zurück zum Inhaltsverzeichnis


Warum weniger Frauen gründen

Die Anzahl der gewerblichen Existenzgründungen ist insgesamt zwischen 2008 und 2018 um knapp ein Drittel zurückgegangen. Besonders ist jedoch die Beteiligung von Frauen am Gründungsgeschehen gesunken.

Ein Grund für die erhebliche Abnahme der Existenzgründungen im gewerblichen Bereich ist in der positiven Entwicklung der Arbeitsmarktsituation in den vergangenen 10 Jahren zu sehen. Ein weiterer liegt im Wegfall der eingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bürgerinnen und Bürger der acht ost- und mitteleuropäischen EU-Beitrittsstaaten von 2004 und der zwei EU-Beitrittsstaaten von 2007 (Rumänien und Bulgarien): Bis Ende 2013 gründeten die Bürgerinnen und Bürger dieser Staaten in außerordentlich hohem Maße Unternehmen in Deutschland, um ihre Existenz bestreiten zu können.

Mehr Frauen im Produzierenden Gewerbe

Auffallend ist, dass Frauen zunehmend in Wirtschaftszweigen Einzelunternehmen gründen, die nicht als "frauentypisch" gelten, wie beispielsweise im Produzierenden Gewerbe. Demgegenüber ist der Frauenanteil in fast allen gewerblichen Dienstleistungsbranchen gesunken – auch in den wissensorientierten Dienstleistungen.

Frauenanteil an den Existenzgründungen von gewerblichen Einzelunternehmen (2008 und 2017)

Frauenanteil an den Existenzgründungen von gewerblichen Einzelunternehmen (2008 und 2017)
Die ausführliche wissenschaftliche Untersuchung zu den Existenzgründungen von Frauen finden Sie hier.

zurück zum Inhaltsverzeichnis


Dem "Mythos Mittelstand" auf der Spur

Mittelständische Unternehmer und Unternehmerinnen messen tatsächlich in denjenigen Bereichen den Unternehmenszielen eine höhere Bedeutung zu, die gemeinhin für den Mittelstand als charakteristisch gelten. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Unternehmerische Zielsysteme: Unterscheiden sich mittelständische Unternehmen tatsächlich von anderen?". So stufen fast zwei Drittel der mittelständischen Unternehmen ihre Unabhängigkeit als ein sehr wichtiges unternehmenspolitisches Ziel ein. Zugleich sind ihnen aber auch die Arbeitnehmerzufriedenheit, der Erhalt bzw. die Schaffung von Arbeitsplätzen und ökologische Ziele wichtig.

Mittelstand ist eine Frage der Einstellung

Die persönlichen Motive der geschäftsführenden Eigentümer und Eigentümerinnen können durchaus sehr unterschiedlich sein, was sich zusätzlich auf die Zielsetzungen in mittelständischen Unternehmen auswirkt. Ebenso zeichnen sich aber auch die Unternehmerinnen und Unternehmer im Mittelstand durch eine besondere Werthaltung aus.

zurück zum Inhaltsverzeichnis


Gute Finanzierungsmöglichkeiten in Deutschland

Die Finanzierungsbedingungen in Deutschland sind für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) – verglichen mit der Finanzierungssituation für die KMU in anderen EU-Staaten – gut: Nur ein geringer Anteil an kleinen und mittleren Unternehmen weist laut der Studie "Einflüsse auf die KMU Finanzierung – Ein Vergleich ausgewählter Euroländer" einen eingeschränkten Finanzierungszugang auf.

Vorrangig eigene Kreditrestriktionen

Trotz Finanzierungsbedarfs beantragen dennoch häufig Kleinstunternehmen und innovationsaktive KMU keinen Kredit, weil sie eine Ablehnung befürchten. Der Grund hierfür können zuvor erfolglos verlaufene Gespräche mit potenziellen Kapitalgebern sein. Besonders Kleinstunternehmen lehnen selbst zugesagte Finanzierungen ab, weil ihnen die Kosten hierfür zu hoch sind.

zurück zum Inhaltsverzeichnis


Chancen und Risiken von Unternehmensnachfolgen durch Arbeitnehmer

In knapp jedem zweiten mittelständischen Unternehmen wollen oder können Familienmitglieder nicht die Nachfolge antreten. Als Alternative bieten sich der Verkauf an Beschäftigte des eigenen oder anderer Unternehmen, an Finanzinvestoren oder an andere Unternehmer und Unternehmerinnen an. Aus rein ökonomischer Sicht ist der Verkauf an Unternehmenseigentümer, die hierdurch Wettbewerbsvorteile erzielen, die beste Lösung.

Wann die Übergabe an eine Führungskraft sinnvoll ist

Ist kein anderer Unternehmer bzw. keine andere Unternehmerin am Kauf interessiert oder möchte der Alteigentümer oder die Alteigentümerin die Arbeitsplätze der Mitarbeiter langfristig gewahrt sehen, bietet sich eine Arbeitnehmernachfolge an. Am erfolgversprechendsten ist hierbei die unternehmensinterne Übergabe an eine Führungskraft. Diese kennt meist seit vielen Jahren das Unternehmen. Entsprechend kann sie auch das Arbeitsplatz- und Kapitalverlustrisiko, das mit dem Schritt in die Selbstständigkeit verbunden ist, am besten einschätzen kann.

Das Denkpapier "Unternehmensnachfolge durch Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen – Chancen und Risiken" finden Sie hier.

zurück zum Inhaltsverzeichnis


Immer weniger Auszubildende in den Kleinstbetrieben

Die Situation am Ausbildungsmarkt hat sich weiter zu Lasten der Kleinstbetriebe verschärft: Waren in 2004 noch 23,6 % aller Auszubildenden in den Betrieben mit höchstens 9 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zu finden, so ist der Anteil inzwischen auf 16,9 % gesunken. Gleichzeitig ist auch die Anzahl der Auszubildenden in diesen Betrieben um gut ein Drittel zurückgegangen, während die Anzahl der Auszubildenden in den kleinen Betrieben um mehr als 2 % und in den mittleren Betrieben sogar um fast 8 % stieg.

Mehr Stellen als Bewerber

Bis zum Ausbildungsjahr 2017/18 waren bei der Bundesagentur für Arbeit mehr Bewerber als Ausbildungsstellen gemeldet. Inzwischen hat sich dieses Verhältnis umgedreht: Es werden mehr betriebliche Ausbildungsplätze angeboten als es Bewerber bei der Bundesagentur für Arbeit gibt, obwohl die Zahl der Auszubildenden in 2017 und 2018 um 25.600 gestiegen ist.

Inwieweit die Kleinstbetriebe ihr Ausbildungsengagement aufgrund des rückläufigen Bewerberinteresses reduzieren, lässt sich auf Basis der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit nicht ablesen. Schließlich fallen Betriebe, die nur einen Auszubildenden aufnehmen wollen und keinen geeigneten Bewerber finden, automatisch aus dieser Statistik heraus.

Ausführliche statistische Daten zur Verteilung der Auszubildenden in den Betrieben sind auf der Internetseite des IfM Bonn abrufbar.

zurück zum Inhaltsverzeichnis


Aktualisierte IfM-Statistiken

In den vergangenen Wochen wurden folgende Statistiken auf der Internetseite des IfM Bonn aktualisiert:

Unternehmensbestand
KMU und Großunternehmen
Beschäftigte
Umsatz

zurück zum Inhaltsverzeichnis


Vorschau:

Im Forschungs-Newsletter (4/2019) können Sie u. a. lesen,

wie sich die zunehmenden protektionistischen Tendenzen auf den Mittelstand auswirken,
inwieweit der Eindruck vom "Aufkauf des deutschen Mittelstands" durch internationale Investoren zutrifft und
welche Rolle Innovationsketten in den mittelständischen Unternehmen spielen.

Der Newsletter wird am 13. Dezember 2019 versandt.

Aktuelles aus dem IfM Bonn

Zu Gast im IfM Bonn

Zu Gast Im IFM Bonn

Mit welchen Intentionen gründen Frauen in China? Durch welche Rahmenbedingungen werden ihre Gründungen beeinflusst? Mit welchen Herausforderungen sehen sich die chinesischen Unternehmerinnen konfrontiert? Im Rahmen des IfM-Forums diskutierte Mitte August die Wirtschaftswissenschaftlerin Anna-Katharina Schaper, die den Forschungsfokus auf China gelegt hat, mit den IfM-Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen über ihr Dissertationsvorhaben und ihre wissenschaftlichen Ansätze. Sie zeigte dabei auch auf, dass es bislang kaum Forschungsarbeiten über das weibliche Unternehmertum in China gibt.

Neue IfM-Podcasts
Wie digital sind die mittelständischen Unternehmen aufgestellt? Wie können sie sicherstellen, dass ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht durch disruptive Entwicklungen bedroht wird? Antworten auf diese Fragen gibt Dr. Sebastian Nielen im Podcast "Mittelstand und Disruption".

Im Podcast "Herausforderung Industrie 4.0" zeigen Dr. Annette Icks und Dr. Christian Schröder auf, wie kleine und mittlere Unternehmen auf die aktuelle digitale Transformation reagieren.

"Mittelstand aktuell" – Fundierte Forschungsergebnisse zu aktuellen Themen
Im aktuellen Policy Brief "Warum die Gründungskultur im Silicon Valley anders ist" legt Prof. Dr. Andrea M. Herrmann (Utrecht University) dar, was Gründungen in Deutschland von denen in Kalifornien unterscheidet. So profitieren die radikalen Innovatoren im Silicon Valley wie Google, Amazon und Apple beispielsweise vom deregulierten Arbeits- und Finanzmarkt.

Externe Veröffentlichungen von IfM-Wissenschaftlern
Selbstständige Migranten der ersten Generation sind weniger mit ihrer Arbeit zufrieden als einheimische Selbstständige. In der zweiten Generation nimmt die Arbeitszufriedenheit der weiblichen Selbstständigen mit Migrationshintergrund zu – nicht jedoch die ihrer männlichen Pendants. Für den Beitrag "Different strokes for different folks: The job satisfaction of the self-employed and the intersection of gender and migration background" haben Dr. Teita Bijedić und Dr. Alan Piper (Europa-Universität Flensburg) das SOEP-Panel ausgewertet.

In seinem Beitrag "Times are a Changin’? The Emergence of New Firms and Rank Reshuffling" kommt Dr. Stefan Schneck zum Ergebnis, dass junge Unternehmen aufgrund ihrer höheren Wachstumsraten häufig etablierte Unternehmen überholen. Sein Artikel ist online im "Journal of Industry, Competition & Trade" erschienen.

Die Kontextforschung hat innerhalb der Entrepreneurship-Forschung in den vergangenen 20 Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Dies ist nicht zuletzt das Verdienst von Prof. Dr. Friederike Welter. In ihrem Buch "Entrepreneurship and contexts" gibt die Ökonomin einen umfassenden Überblick darüber, wie sich ihre Forschung im Laufe der Jahre entwickelt hat – angefangen von der Betrachtung des Unternehmertums in Osteuropa nach dem Ende der Sowjetunion bis hin zur Erforschung des alltäglichen Unternehmertums.

Unternehmertum wird häufig mit Aspekten wie technologische Innovation, schnelles Wachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen verbunden. Ursächlich hierfür sind Stereotype, die ihren Ursprung u. a. in der Sprache haben. In ihrem Beitrag "The power of words and images: towards talking about and seeing entrepreneurship and innovation differently" für die Monografie "A Research Agenda for Entrepreneurship and Innovation" zeigt Prof. Dr. Friederike Welter anschaulich auf, warum es in der Entrepreneurshipforschung hilfreich ist, die Wirkung von Begriffen, Metaphern und Bildern zu analysieren.

In ihrem Einführungsbeitrag "A gendered look at entrepreneurship ecosystems" für das Special Issue "Women Entrepreneurs in Ecosystems" zeigen Prof. Dr. Candida Brush (Babson College, Wellesley/USA), Prof. Dr. Linda F. Edelman, Prof. Dr. Tatiana Manolova (beide Bentley University, Waltham/USA) und Prof. Dr. Friederike Welter auf, in welchen Bereichen sich die Rahmenbedingungen auf die Gründungsintention und das Unternehmertum von Frauen und Männern auswirken. Die IfM-Präsidentin ist zugleich eine der Mitherausgeber der Small Business Economics-Spezialausgabe "Women Entrepreneurs in Ecosystems".

Die Forschungsergebnisse des IfM Bonn – (inter-)national präsent
Dr. Teita Bijedić referierte Ende Juni auf der EURAM-Jahreskonferenz in Lissabon über die Besonderheiten von migrantengeführten Familienunternehmen.

Über die Ergebnisse der Studie "Bürokratiewahrnehmung von Unternehmen" berichtete Dr. Annette Icks Mitte September beim Wirtschaftsrat der CDU.

Auf der Kuratoriumssitzung des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit berichtete Dr. Rosemarie Kay Ende Juni über die Beschäftigungs- und Einkommenssituation von jungen Frauen in den MINT-Berufen.

Peter Kranzusch stellte auf dem Netzwerktreffen der Gründungsberatung Rheinland-Pfalz in Mainz die aktuellen Trends im Gründungsgeschehen vor.

Mitte September referierte Dr. Susanne Schlepphorst vor dem Normenkontrollrat in Berlin sowie in Köln auf der Präsidiumssitzung des Bundesverbands des Deutschen Textileinzelhandels über die Bürokratiewahrnehmung von Unternehmen.

Dr. Christian Schröder hielt Anfang September auf dem 10. Weimarer Wirtschaftsforum den Vortrag "Neue technologische Entwicklungen – Reaktionsmuster mittelständischer Unternehmen".

Zum Auftakt der Deutschlandreise von Bundesminister Peter Altmaier Ende August stellte Prof. Dr. Friederike Welter vor Pressevertretern die aktuelle Situation des Mittelstands und die zukünftigen Herausforderungen aus wissenschaftlicher Sicht dar.

zurück zum Inhaltsverzeichnis