Demografischer Wandel – Werden sich die Gründungszahlen verändern?
Die Bevölkerung in Deutschland wird, wie in nahezu allen anderen Industrienationen, in den nächsten Jahrzehnten erheblich altern und zahlenmäßig schrumpfen. Diese als demografischer Wandel bezeichnete Entwicklung wird auch Auswirkungen auf das zukünftige Gründungsgeschehen haben. Denn die gründungsschwache Altersgruppe der über 45-Jährigen nimmt immer weiter zu, bei gleichzeitiger Abnahme der gegenwärtig gründungsstarken jüngeren Altersklassen. Mehrere Studien schätzen, dass der demografisch bedingte Rückgang der Gründungszahlen bis zum Jahr 2050 bis zu knapp 30 % betragen könnte. Ob dieser Rückgang tatsächlich eintreten wird, hängt allerdings entscheidend davon ab, wie sich das altersspezifische Gründungsverhalten in den kommenden Dekaden entwickeln wird. Um diese Fragen beantworten zu können, ist zunächst jedoch mehr Wissen über die aktuellen altersspezifischen Gründungsdeterminanten notwendig. Mit der Analyse solcher altersspezifischen Gründungsdeterminanten hat sich die vorliegende Arbeit beschäftigt. Die Ergebnisse belegen, dass sich jüngere und ältere Gründer stark unterscheiden. Die Ergebnisse liefern allerdings auch erste Hinweise, wie das Gründungsverhalten der Älteren beeinflusst werden kann.
Gründungsverhalten von Älteren und Jüngeren unterliegt unterschiedlichen Einflussfaktoren
Für die Entscheidung, tatsächlich in die Selbstständigkeit zu wechseln, spielen mehrere Faktoren eine Sonderrolle für die Gruppe der älteren Gründungsinteressierten. Zu nennen sind hier der Erwerbsstatus, die Gründungsform sowie das Persönlichkeitsmerkmal "Zweifel an den eigenen Fähigkeiten". Während für Jüngere die Erwerbslosigkeit eine wichtige Antriebsfeder für den Wechsel in die Selbstständigkeit ist, stellt sie für die Älteren keinen Push-Faktor dar. Vielmehr wechseln eher die Erwerbstätigen als die Erwerbslosen in die Selbstständigkeit. Eine weiterer Einflussfaktor ist die Form der Gründung: Ältere Personen, die eine Übernahme geplant haben, weisen gegenüber Älteren, die eine Neugründung geplant haben, eine um gut 30 Prozentpunkte geringere Gründungswahrscheinlichkeit auf. Zum Vergleich: bei den Jüngeren liegt diese Differenz bei lediglich 15 Prozentpunkten. Schließlich weisen ältere Gründungsinteressierte, die häufig an ihren Fähigkeiten zweifeln, eine um gut 27 Prozentpunkte niedrigere Gründungswahrscheinlichkeit auf als ältere Gründungsinteressierte, die diese Zweifel nicht plagen. Dieses Verhältnis ist auch bei den jüngeren Gründungsinteressierten mit 5 Prozentpunkten deutlich weniger stark ausgeprägt.
Ältere geben ihre Gründungsabsichten schneller wieder auf!
Es existieren jedoch nicht nur altersspezifische Gründungsbarrieren. Wie weiterführende Analysen aufzeigen, gehören die Älteren auch signifikant häufiger zur Gruppe der Gründungsabbrecher. Die Analyse der sogenannten Abbruchsphase war möglich, weil ein nicht unbeträchtlicher Teil der Befragten ihre Gründungspläne – trotz hohen anfänglichen Interesses – wieder aufgegeben hat bzw. in den ersten 10 Monaten bereits als gescheitert angesehen werden muss. In Zahlen ausgedrückt: Die über 50-Jährigen weisen unter sonst gleichen Umständen eine um knapp 23 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit auf, das Gründungsvorhaben vorzeitig abzubrechen als in die Selbstständigkeit zu wechseln. Die Entscheidung, an den Gründungsplänen weiter festzuhalten statt zu gründen (da z.B. noch mehr Vorbereitungszeit nötig ist) scheint dagegen nicht durch das Alter beeinflusst zu werden. Gefragt nach dem Gründen, warum das Projekt abgebrochen wurde, gaben Ältere signifikant häufiger als Jüngere an, dass sich damit die Chance auf ein ausreichendes Einkommen als nachträglich zu gering herausgestellt hat.
Niedrigere Substanz der realisierten Gründungen von Älteren
Schließlich übt das Personenalter einen starken und breit gestreuten Einfluss auf die Substanz einer Unternehmensgründung aus. Ältere gründen mit einem Anteil von knapp 18 % signifikant seltener mit einem Partner als Jüngere (10 %). Sie investieren mit durchschnittlich 37 Stunden pro Woche auch weniger Zeit in das neue Unternehmen (Jüngere: 43 Stunden pro Woche). Darüber hinaus üben Ältere häufiger neben der Selbstständigkeit ein zweites Beschäftigungsverhältnis aus (gut 28 % gegenüber knapp 19 %) und sie können insgesamt seltener ihren Lebensunterhalt mit dem unternehmerischen Einkommen bestreiten (13 % gegenüber 24 %). Vor diesem Hintergrund ist der Befund wenig verwunderlich, dass ältere Gründer mit einem Anteil von knapp 67 % signifikant seltener den Schritt in die Selbstständigkeit wiederholen würden als die jungen Gründer (81 %).
Handlungsempfehlungen für die Politik
Ältere würden gemäß unseren Befunden dann stärker am Gründungsgeschehen teilnehmen, wenn ihre Zweifel an den eigenen Fähigkeiten ausgeräumt werden könnten. Hierzu wären auf die Bedürfnisse der Älteren zugeschnittene Beratungs- und Betreuungsangebote zu entwickeln, die im Vorfeld der Gründung einsetzen. Die vielfältigen Analysen haben Hinweise darauf gegeben, dass der Druck, aus der Not heraus zu gründen, bei Älteren weniger stark ausgeprägt ist als bei den Jüngeren. Dies könnte nicht zuletzt daran liegen, dass Ältere generell über höhere Ersparnisse verfügen, um Einkommenseinbußen bis zum Übergang in die Verrentung abzufedern. Es ist aber auch denkbar, dass institutionelle Anreize die Gründungswahrscheinlichkeit der Älteren zumindest ein stückweit reduzieren. Zu nennen ist hier in erster Linie die erst kürzlich beschlossene, erneute Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für Ältere von 12 auf bis zu 24 Monate oder die neue "63er-Regelung", welche die Rentenabschläge bei einer Frühverrentung begrenzt. Hier liegen Anknüpfungspunkte für wirtschaftspolitisches Handeln. Als insgesamt problematisch könnte sich der Befund zu den Unternehmensübernahmen auswirken. Hier ist das Interesse der Älteren für Unternehmensübernahmen mit entsprechenden Maßnahmen zu stärken.