Ausgangslage/Problemstellung
In Folge des demografischen Wandels sind zunehmend Fachkräfteengpässe zu erwarten. Um hier Entlastung zu schaffen, setzt die Politik u. a. auf eine verstärkte Zuwanderung von Hochqualifizierten aus Drittstaaten. Seit 2005 wurden sukzessiv Änderungen im Zuwanderungsrecht vorgenommen. Während diese Anpassungen bis zum Jahr 2009 noch keine substanziellen Zuwanderungsgewinne für Deutschland nach sich zogen, ist seither eine Trendumkehr erkennbar. Die Zuwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten belief sich im Jahr 2010 auf knapp dreißigtausend Personen. Neben Hoch- und Höchstqualifizierten sind dies Fachkräfte mittlerer Qualifikation. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie die Attraktivität des Arbeitsstandorts Deutschland für Hochqualifizierte aus Drittstaaten weiter erhöht werden kann.
Das deutsche Zuwanderungsrecht ist primär nachfrageorientiert
Die Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen zeigt, dass der deutsche Gesetzgeber eine selektive, primär nachfrageorientierte Strategie der Zuzugssteuerung aus Drittstaaten verfolgt. Der Zuzug wird je nach Arbeitsmarktlage und Bedarf der Wirtschaft reguliert. Durchgesetzt wird diese Strategie durch die Bindung der Aufenthaltsgenehmigung an eine Stellenzusage und ggf. eine Vorrangprüfung seitens der Bundesagentur für Arbeit sowie eine Mindestverdienstgrenze.
Blue-Card-EU setzt deutliche Willkommenssignale an hochqualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten
Mit der Einführung der Blue-Card-EU am 1. August 2012 wurde ein entscheidender Schritt in der Reform des Zuwanderungsrechts vorgenommen. Die Blue-Card-EU führt zu wesentlichen Zuzugserleichterungen für ausländische Fachkräfte aus Drittstaaten, wovon in erster Linie Großunternehmen und technologieintensive, wissensbasierte KMU profitieren dürften. Durch den Wegfall der Vorrangprüfung für Fachkräfte mit einem in Deutschland erworbenen oder hier anerkannten Hochschulabschluss kann eine Einreise weniger bürokratisch und damit schneller erfolgen. Die übrigen KMU profitieren jedoch nur in geringem Maße. Sie stellen eher Fachkräfte mit mittlerer Qualifikation ein, die nach wie vor der Vorrangprüfung unterliegen. Aus Sicht der KMU wäre eine Ausweitung der Blue-Card-EU auf ausgewählte, am Arbeitsmarkt stark nachgefragte Fachkräfte mit mittleren Berufsabschlüssen wünschenswert.
Der Spielraum für weitere Lockerungen der Zuzugsvoraussetzungen für Hochqualifizierte ist begrenzt
Die gegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen lassen wenig Spielraum für weitere Lockerungen. Sowohl die Höhe der Mindestverdienstgrenze als auch die Übergangsfristen bis zur Gewährung eines Daueraufenthaltsrechts sind großzügig gewählt. Eine weitere Absenkung der Mindestverdienstgrenzen könnte zu Lohndumping und Fehlanreizen im Hinblick auf Bildungsinvestitionen führen. Eine Kürzung der Übergangsfristen bis zum Erhalt des Daueraufenthaltsrechts erhöht die Gefahr der missbräuchlichen Nutzung.
Der Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche kommt in erster Linie den Großunternehmen zugute, nur selten den KMU
Der ebenfalls am 1. August in Kraft getretene § 18c Aufenthaltsgesetz ermöglicht es Fachkräften aus Drittstaaten nach Deutschland einzureisen, um sich vor Ort um eine Anstellung zu bemühen. Diese Sonderregelung gilt allein für Hochqualifizierte mit einem in Deutschland anerkannten Hochschulabschluss. Da dieser Bewerberkreis vor allem in Großunternehmen eine Anstellung findet, kommt diese Regelung vorrangig diesem Teil der Wirtschaft zugute. Fachkräften geringerer Qualifikation bleibt nach wie vor nur die Möglichkeit einer Einreise mittels Beantragung eines Schengen-Visums. Sie sind daher gezwungen, sich aus dem Ausland auf Stellen in Deutschland zu bewerben. Soll der Mittelstand stärker bei der Rekrutierung ausländischer Fachkräfte unterstützt werden, so wäre die getroffene Regelung auf alle Fachkräfte auszudehnen.