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Mittelstand, Gesellschaft und Staat | 2011 Evaluation zum Umsetzungsstand des EA-Gesetzes in Nordrhein-Westfalen

Abgeschlossenes Forschungsprojekt

Untersuchungsziel

Die Europäische Dienstleistungsrichtlinie (EU-DLRL) war bis zum 28.12.2009 in den EU-Mitgliedstaaten umzusetzen. Im Zentrum der EU-DLRL steht die flächendeckende Einrichtung von „Einheitlichen Ansprechpartnern“ (EA), die auf elektronischem Wege alle Informationsanfragen, Formalitäten und Verfahren aus einer Hand abwickeln, die für EU-Ausländer zur Aufnahme und Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit im jeweiligen EU-Mitgliedsland erforderlich sind. Die Ausgestaltung der EA wurde in Deutschland den Bundesländern überlassen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen für die Umsetzung bis Ende 2009 mit dem „Gesetz zur Bildung Einheitlicher Ansprechpartner in Nordrhein-Westfalen (EA-Gesetz NRW)“ geschaffen. Es hat sich dabei für das Kommunalmodell entschieden und die EA-Aufgaben den Kreisen und kreisfreien Städten übertragen. Nach dem EA-Gesetz NRW sind die 54 Kreise und kreisfreien Städte in Nordrhein-Westfalen angehalten, zur Wahrnehmung der EA-Aufgaben auf Grundlage öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen interkommunale Kooperationen zu bilden oder ggf. auf vorhandene Kooperationen zurückzugreifen. Das IfM Bonn hat den Stand der Umsetzung des EA-Gesetzes in Nordrhein-Westfalen untersucht, um Erkenntnisse zu der Aufgabenerfüllung, der Inanspruchnahme und der Effektivität der EA zu gewinnen.

Organisationsstruktur der Einheitlichen Ansprechpartner

Ende September 2010 gab es in Nordrhein-Westfalen 21 EA, davon waren elf als Single-EA und zehn als Kooperations-EA organisiert. Im Durchschnitt beträgt die Personalausstattung der Single-EA 0,6 und der Kooperations-EA 1,2 Vollzeitstellen. Diese Personalausstattung ist ausreichend, um das gegenwärtig noch sehr geringe Anfrageaufkommen zu bewältigen.

Sehr gute Erreichbarkeit der Einheitlichen Ansprechpartner

Die Erreichbarkeit der EA ist in hohem Maße gegeben. Im Durchschnitt sind alle EA sowohl persönlich als auch telefonisch neun Stunden pro Tag erreichbar. Dies geht weit über die Vorgaben der EU-DLRL hinaus, die prioritär die elektronische Erreichbarkeit vorsieht. Die elektronische Erreichbarkeit rund um die Uhr ist bei allen EA verwirklicht.

Noch kaum Anfragen von Dienstleistern aus dem EU-Ausland

Von den beiden in der EU-DLRL genannten Aufgaben sind die EA bisher (bis auf eine Ausnahme) ausschließlich im Rahmen der Informationsvermittlung in Anspruch genommen worden. Dabei wurde das Informationsangebot der EA in Nordrhein-Westfalen weit überwiegend von inländischen Dienstleistern beherrscht; 347 der insgesamt 386 Anfragen in dem Erhebungszeitraum 3. Mai 2010 bis 31. Juli 2010 stammten aus dem Inland. Dienstleister aus dem EU-Ausland haben das Leistungsangebot der EA nur in sehr geringem Umfang (20 Fälle) genutzt. Die übrigen Anfrager stammten aus dem Nicht-EU-Ausland.

Große regionale Disparitäten der Inanspruchnahme der EA

Das Geschäftsvolumen konzentriert sich auf zwei EA, die einen Anteil von gut 60% (237 Anfragen) auf sich vereinen. Diese beiden EA sind organisatorisch als Sonderfälle anzusehen, da sie bei bereits bestehenden, gut etablierten großstädtischen Bürger- bzw. Unternehmens-Servicezentren angesiedelt sind. Die übrigen zwölf EA mit Geschäftsvorfällen verzeichneten durchschnittlich 12,4 Anfragen in dem betrachteten Dreimonatszeitraum; das entspricht etwa einer Anfrage pro Woche. Sechs EA hatten in dem Erfassungszeitraum keine Anfragen erhalten.

EA bei Zielgruppen noch weitgehend unbekannt

Das äußerst geringe Anfrageaufkommen, insbesondere von Dienstleistern aus dem EU-Ausland, ist einerseits auf den fehlenden Bekanntheitsgrad der Institution EA zurückzuführen. Die EA haben, solange ihre volle operative Funktionsfähigkeit nicht erreicht ist, bewusst auf die Bewerbung ihrer Leistungen verzichtet. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Bekanntmachung der EA aus Kostengründen nur sinnvoll im Verbund bzw. auf Ebene von EU, Bund oder Land erfolgen kann. Andererseits könnte das geringe Anfragevolumen ausländischer Dienstleister auch darin begründet sein, dass das Interesse ausländischer Dienstleister an der Aufnahme und Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in Deutschland allgemein überschätzt wurde, zumal für dieses Zielgruppensegment keine verlässlichen Daten oder Schätzungen zum Potenzialumfang existieren.

Bei der relativ geringen Inanspruchnahme der EA durch inländische Dienstleister ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass für diese Zielgruppe bereits eine Vielzahl von Unterstützungsangeboten besteht und die EA-Leistungen von ihnen als Parallelangebot angesehen werden könnten.

Verfahrensmittlerfunktion kann noch nicht wahrgenommen werden

Die Funktion als Verfahrensmittler wird mangels entsprechender Anfragen von den meisten EA noch nicht wahrgenommen, so dass keine validen empirischen Aussagen zur konkreten Erfüllung dieser Funktion der EA möglich sind. Vielmehr lassen sich aus den empirischen Erhebungen nur Aussagen zu den Voraussetzungen der Erfüllung der Verfahrensmittlerfunktion der EA treffen. Hier zeigen die empirischen Ergebnisse, dass z. T. noch Lösungen für die ablauforganisatorischen Fragen, die das Zusammenwirken von EA und Fachbehörden für die konkreten Verfahrensabwicklungen betreffen, zu entwickeln sind. Die Verfahrensmittlerfunktion der EA setzt eingespielte Kooperationen mit den Kammern und den sonstigen Fachbehörden voraus. Hier zeigen die Befunde zu den Vorbereitungsaktivitäten als auch zu der laufenden Aufgabenerfüllung, dass es noch Optimierungspotenziale gibt.

Die möglichst umfassende elektronische Übertragung und Weiterverarbeitung von Daten im Wege der Verfahrensabwicklung ist bislang nur in Ausnahmefällen möglich. Die dazu notwendigen technischen Voraussetzungen sind noch nicht vollständig gegeben. Dies betrifft nicht nur Nordrhein-Westfalen, sondern gilt für den Bund und alle anderen Bundesländer gleichermaßen. So sind z. B. auch die Nutzungsmöglichkeiten der elektronischen Signatur noch stark eingeschränkt.

Fazit

Insgesamt ist somit festzustellen, dass zum Befragungszeitpunkt alle EA eingerichtet und für die Dienstleister gut erreichbar waren. Die Funktionsfähigkeit der EA im operativen Geschäft ist noch nicht in vollem Umfang gegeben. Dies ist aber z. T. typisch für das frühe Entwicklungsstadium, in dem sich die EA zum Zeitpunkt der Evaluation befanden, und z. T. auch den besonderen Entstehungsbedingungen geschuldet.