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Mittelstand, Gesellschaft und Staat | 2008 Kostenmessung der Prozesse öffentlicher Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträge

Abgeschlossenes Forschungsprojekt

Auftraggeber

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

Projektbearbeitung

In Kooperation mit der Unternehmensberatung Rambøll Management GmbH und der Kanzlei Leinemann und Partner Rechtsanwälte.

Zusammenfassung

Für 300 Mrd. Euro kaufen jährlich die über 30.000 Vergabestellen von Bund, Land und Kommunen Waren und Dienstleistungen ein, mit zum Teil lang andauernden und komplexen Vergabeverfahren. Wie hoch die Verfahrenskosten bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch der Vergabestellen sind und wie sie reduziert werden können ist Gegenstand einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, an deren Erstellung das IfM Bonn beteiligt war.

Auf Basis des international angewandten Standard-Kosten-Modells (SKM) zur Berechnung von Bürokratiekosten wurde ermittelt, dass mit der Vergabe öffentlicher Aufträge in Deutschland pro Jahr Verfahrenskosten in Höhe von 19 Mrd. Euro anfallen. Mit einem Großteil der 30 identifizierten Vorschläge zur Vereinheitlichung und Verschlankung des Vergaberechts, vor allem organisatorische Maßnahmen, können die Prozesskosten jedoch um bis zu 20 % gesenkt werden.

Jährlich 10,2 Mrd. Euro Verfahrenskosten bei den Unternehmen, 8,8 Mrd. Euro bei den Vergabestellen

Neben der Berechnung der Verfahrenskosten für die Wirtschaft wurden auch, als eines der ersten Projekte überhaupt, die Kosten auf Seiten der Vergabestellen erhoben. Die ermittelten Verfahrenskosten in Höhe von 19 Mrd. Euro sind zwischen der Wirtschaft und der Verwaltung in etwa gleichmäßig verteilt. 10,2 Mrd. Euro entfallen auf die sich um öffentliche Aufträge bewerbenden Unternehmen. Auf Seiten der öffentlichen Auftraggeber entstehen Kosten in Höhe von 8,8 Mrd. Euro. Während auf Unternehmensseite nach der Angebotslegung die kostenintensivsten Blöcke die Recherche nach Ausschreibungen, die Auswertung der Vergabeunterlagen und die Prüfung und Sammlung von Eignungsnachweisen sind, sind die Erstellung der Vergabeunterlagen, die Auswahl eines Angebotes durch Prüfung und Wertung, die Aufforderung zur Angebotsabgabe, die Durchführung von Verhandlungen sowie die Durchführung von Eignungsprüfungen die teuersten Verfahrensschritte auf Seiten der öffentlichen Auftraggeber.

Bei VOL/A Kostenreduktion von 20 Prozent möglich

Da ein Großteil der Prozesskosten auf Vergabeverfahren, die zum Regelungsbereich der Verdingungsordnungen für Liefer- und Dienstleistungen (VOL/A) entfällt, wurden in der zweiten Phase des Projektes insgesamt 30 Reformvorschläge zusammen mit dem Auftraggeber entwickelt und in Hinblick auf Veränderungen in den prozessualen Kosten untersucht. Darüber hinaus wurden diese Vorschläge auch von den Betroffenen in Hinblick auf die Wirkungsdimensionen Wirtschaftlichkeit, Gleichbehandlung, Transparenz, Wettbewerb, Rechtssicherheit sowie auf die Durchlaufzeiten bewertet. 19 Vorschläge wurden von den Befragten sowohl auf öffentlicher Seite als auch auf Seiten der Wirtschaft als positiv eingeschätzt. Von diesen 19 positiv bewerteten Vorschlägen bieten vor allem organisatorische Maßnahmen, wie die Stärkung der e-Vergabe und die Nutzung von elektronischen Formularen (etwa 2,1 Mrd. Euro), eine zentrale Veröffentlichung in Verbindung mit einer Kostenfreiheit für Vergabeunterlagen (rund 850 Mio. Euro), eine Begründungspflicht von behördlichen Nachweisen und Einführung einer Checkliste (ca. 240 Mio. Euro) sowie die Einführung einer Bagatellgrenze für Direkteinkäufe (bis zu 655 Mio. Euro) das größte Reduktionspotenzial für beide Seiten. Mit der Umsetzung dieser Maßnahmen könnte das öffentliche Auftragswesen um etwa 20 Prozent optimiert werden. Der hohe Einspareffekt durch die stärkere Nutzung der elektronischen Vergabe bezieht sich dabei auf die Nutzung eines kompletten Vergabemanagementsystems. Die dafür notwendigen Investitionskosten wurden bei der Berechnung der Einspareffekte jedoch nicht weiter berücksichtigt.

Standard-Kosten-Modell als Berechnungsgrundlage

Die Studie basiert auf dem international zur Messung von Bürokratiekosten genutzten Standard-Kosten-Modell. Mit diesem Modell werden die Kostenfaktoren für die Befolgung gesetzlicher Pflichten zur Erhebung, Dokumentation und Übermittlung von Informationen (Informationspflichten) ermittelt. Kosten, die aus inhaltlichen Pflichten resultieren (wie z.B. die Zahlung von Steuern) werden nicht erhoben. Entgegen dieser Beschränkung des Modells auf gesetzliche vorgeschriebene Informationspflichten wurden im Rahmen dieser Studie die vollständigen Verfahrensschritte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge betrachtet. Somit wurden auch die Prozessschritte erfasst, die keiner gesetzlichen Informationspflicht entsprechen, wie bspw. die Recherche nach Ausschreibungen. Dazu wurde nach der Identifikation der gesetzlichen Informations- und Vollzugspflichten eine Prozessanalyse durchgeführt um den gesamten Verfahrensverlauf abbilden zu können. Am Ende dieser Untersuchung standen zwei Basisprozesse für Bewerber und Auftraggeber, anhand derer der Verfahrensverlauf für jede Vergabeart dargestellt werden kann. Darauf aufbauend wurden sämtliche Kostenfaktoren mit über 100 Experten in Workshops, persönlichen und telefonischen Interviews erhoben und für jeden Verfahrensschritt multipliziert. Alle Kosten werden im Gutachten einzeln nach den Verdingungsordnungen für Liefer- und Dienstleistungen (VOL/A), Bauleistungen (VOB/A) und für freiberufliche Leistungen (VOF) sowie den jeweiligen Vergabeverfahren ermittelt und dargestellt. Ähnlich wurde bei der Ermittlung der Kostenveränderungen bei Umsetzung der 30 entwickelten Reformvorschläge verfahren.