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Strategische Unternehmensführung | 2008 Absatz- und Personalpolitik mittelständischer Unternehmen im Zeichen des demografischen Wandels - Herausforderungen und Reaktionen

Abgeschlossenes Forschungsprojekt

Zusammenfassung

Die demografische Entwicklung wird mittel- bis langfristig zu nachhaltigen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft führen. Die Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung in Deutschland werden sich sowohl auf die Güternachfrage als auch auf die Verfügbarkeit und Preise von Produktionsfaktoren wie Arbeitskräfte und Kapital auswirken. Mit der hier vorliegenden Studie liefert das IfM Bonn eine umfassende Bestandsaufnahme der demografisch bedingten betrieblichen Anpassungen mittelständischer Unternehmen - erstmalig für die Bereiche Absatz- und Personalpolitik zusammen - und formuliert Handlungsempfehlungen für die Politik und öffentliche Institutionen. Die Befragungsergebnisse zeigen, dass die Unternehmen bereits aktiv auf die demografisch bedingten Veränderungen auf der Nachfrageseite reagieren, wohingegen das Problembewusstsein seitens der Personalpolitik erst langsam wächst.

Demografischer Wandel - den meisten Unternehmen ein Begriff

Die Unternehmen in Deutschland haben mehrheitlich (80 %) vom Thema "demografischer Wandel" gehört. Der Wissensstand in den Unternehmen ist jedoch verbesserungswürdig: Typischerweise haben die Unternehmen lediglich eine ungefähre Vorstellung von der demografischen Entwicklung in Deutschland, wobei die Informationen v.a. aus den Massenmedien bezogen werden. Lediglich rund 37 % der Unternehmen haben sich bereits intensiv mit dem Thema demografischer Wandel und seinen Folgen für die eigene Unternehmenstätigkeit beschäftigt. Die Mehrheit der Unternehmen geht davon aus, dass der demografische Wandel Auswirkungen im personal- oder absatzpolitischen Bereich oder in ihrem marktlichen Umfeld haben wird.

Anpassungen im Bereich Absatz und Marketing bereits eingeleitet

Rund 70 % der Unternehmen beliefern Personen bzw. Haushalte und sind insofern unmittelbar von der demografischen Entwicklung betroffen. Die Analyse der Erwartungen der Unternehmen in Bezug auf die Absatzmärkte in Deutschland zeigt, dass die Unternehmen die demografisch bedingten Veränderungen auf der Nachfrageseite zu antizipieren scheinen. So gehen knapp zwei Drittel der Unternehmen, die personenorientierte Produkte oder Dienstleistungen anbieten, davon aus, dass sich aufgrund der Alterung mittel- bis langfristig die Kundenbedürfnisse ändern werden. Außerdem konnte in der Tendenz eine Übereinstimmung zwischen den demografischen Veränderungen und den Erwartungen der Unternehmen festgestellt werden. So geben z.B. die Unternehmen, deren Angebot sich an zahlenmäßig schrumpfende Bevölkerungsgruppen (Kinder, Jugendliche und Personen im mittleren Alter) richtet, überdurchschnittlich häufig an, dass sie mit einer sinkenden Nachfrage nach ihren Produkten/Dienstleistungen in Deutschland rechnen. Die Einschätzung derjenigen Unternehmen, zu deren Zielgruppe die ältere Bevölkerung gehört, sieht erwartungsgemäß genau umgekehrt aus.

Die Unternehmen haben die demografisch bedingten Veränderungen der Nachfrage nicht nur erkannt, sondern sie entwickeln bereits Antwortstrategien. Insgesamt jeweils rd. 45 % der Anbieter personenorientierter Produkte/Dienstleistungen haben Anpassungen im Sortiment bzw. in der Vermarktung (Werbung/Kommunikation, Beratung, Vertriebswege) vorgenommen, um ältere Kunden gezielter anzusprechen. Weitere 20 % der Unternehmen planen entsprechende Anpassungen. Damit zeigt sich, dass die Unternehmen - bis auf die relativ kleine Gruppe derer, die vorwiegend Kinder und Jugendliche als Endverbraucher haben - insgesamt gut auf den kommenden Wandel der Absatzmärkte vorbereitet sind.

Anpassungsbedarf im Bereich Personalpolitik häufig unterschätzt

Das Problembewusstsein im Hinblick auf die Folgen des demografischen Wandels für die Personalpolitik erweist sich als weniger stark ausgeprägt. So rechnen lediglich rd. 40 % der Unternehmen mit einer starken Alterung ihrer Belegschaft, obwohl davon auszugehen ist, dass fast alle Unternehmen - größenklassen- wie branchenübergreifend - in absehbarer Zeit von den Problemen der Alterung ihres Personals betroffen sein werden. Mit der Alterung einhergehende Herausforderungen wie ein höherer Krankenstand oder steigender Fortbildungsbedarf werden noch seltener vorausgesehen. Am häufigsten, allerdings auch nur von der Hälfte der Unternehmen, werden Auswirkungen wie ein Mangel an Fach- und Führungskräften sowie steigende Personalkosten erwartet.

Die Reaktionen im Bereich Personalmanagement fallen aufgrund des geringen Problembewusstseins eher verhalten aus. Präventive Maßnahmen zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit älterer Arbeitskräfte, z.B. gesundheitsfördernde Aktivitäten, die über den gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen hinausgehen, oder Qualifizierungsmaßnahmen für Ältere, stehen in nur wenigen Unternehmen auf der Agenda. Zwar wollen rd. 55 % der Unternehmen ein lebenslanges Lernen der Mitarbeiter fördern, Bildungs- bzw. Personalentwicklungsmaßnahmen werden jedoch selten ausdrücklich auch für ältere Mitarbeiter konzipiert. Während im Bereich der Nachwuchssicherung bereits relativ viele Unternehmen aktiv sind, engagieren sich noch wenige hinsichtlich der Mitarbeiterbindung, z.B. durch die Einführung familienfreundlicher Maßnahmen. Dabei haben tendenziell mehr größere als kleinere Unternehmen ihre Personalpolitik auf die kommenden Herausforderungen eingestellt.

Sensibilisierung bleibt die wichtigste Aufgabe des Staates

Trotz zahlreicher Informationsangebote scheint das Problembewusstsein in vielen, insbesondere mittelständischen Unternehmen nicht in ausreichendem Maße vorhanden zu sein. Eine vordringliche Maßnahme seitens der Politik und öffentlicher Institutionen besteht daher darin, die genutzten Wege zur Ansprache der Unternehmen zu optimieren. Der Wissensstand in den Unternehmen in Bezug auf den demografischen Wandel sollte deutlich verbessert werden. Dies dürfte das Problembewusstsein vieler Unternehmen in Bezug auf die betrieblichen Auswirkungen schärfen und sie zu mehr Eigeninitiative anregen. Ergänzend hierzu ist eine Reihe an Unterstützungsmaßnahmen v.a. im personalpolitischen Bereich zu fordern, die der Staat ergreifen könnte, um den Unternehmen bei der Bewältigung demografisch bedingter Herausforderungen zu helfen. Dazu zählen zum einen Maßnahmen, die allgemein auf eine Verbesserung wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen abzielen, wie die Erhöhung des Bildungsniveaus von Kindern und Jugendlichen oder der Ausbau öffentlicher Kinderbetreuungseinrichtungen. Viele Unternehmen wünschen sich darüber hinaus direkte Hilfe, z.B. bei der Nachqualifizierung von Ausbildungsplatzbewerbern oder bei der Personalsuche im Ausland.

Die Studie basiert auf einer repräsentativen Befragung unter Unternehmen ab fünf Beschäftigten in Deutschland, die das IfM Bonn im Herbst 2007 durchgeführt hat. Von 782 teilnehmenden Unternehmen waren 725 Fragebogen für eine nach Größenklassen und Branchengruppen geschichtete Hochrechnung verwertbar.