Ausgangslage
Der Arbeitsmarkt ist unabhängig von der konjunkturellen Lage von beträchtlicher Fluktuation geprägt. Neben neu geschaffenen Stellen sind auch immer wieder Stellen von ausscheidenden Mitarbeitern zu besetzen. Diese Stellenbesetzungsprozesse verlaufen für die Unternehmen nicht immer reibungslos. Da neue Stellen um so eher geschaffen werden, je besser die konjunkturelle Lage ist, mehren sich die Stellenbesetzungsprobleme im konjunkturellen Aufschwung. Sie treten vor allem bei Stellen für Fach- und Führungskräfte sowie Auszubildende auf. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit offenen Stellen sind in stärkerem Maße von Stellenbesetzungsproblemen betroffen als Großunternehmen. Aufgrund der erwarteten Verknappung von qualifizierten Arbeitskräften werden sich die Rekrutierungsprobleme der KMU voraussichtlich eher noch verstärken. Vor diesem Hintergrund hat das IfM Bonn die Personalpolitik von KMU untersucht.
Ausmaß der Stellenbesetzungsprobleme insgesamt
Gegenwärtig liegen die Stellenbesetzungsschwierigkeiten unterhalb des Niveaus vor Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise. Gemäß den vorliegenden Projektionen zum zukünftigen Arbeitskräfteangebot und -bedarf werden sich die Verhältnisse am Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren grundlegend verändern. Dem voraussichtlich wachsenden Bedarf an qualifizierten Arbeitnehmern wird ein zunehmend geringeres Angebot gegenüber stehen. Auch wenn es voraussichtlich nicht zu einem allgemeinen Fachkräftemangel kommen wird, dürften sich die Rekrutierungsprobleme der Unternehmen bereits ab der Mitte dieses Jahrzehnts verschärfen.
Noch große einheimische Arbeitskräftepotenziale
Den Unternehmen, auch den KMU, stehen verschiedene personalpolitische Strategien offen, den zukünftigen Herausforderungen zu begegnen. Eine Strategie liegt in der Beeinflussung des Arbeitskräfteangebots in qualitativer und quantitativer Hinsicht, sei es durch Aus- und Weiterbildung einerseits oder die Erschließung von ungenutzten Arbeitskräftepotenzialen andererseits. Sowohl bei der nichterwerbstätigen als auch bei der erwerbstätigen Bevölkerung liegen noch erhebliche Arbeitskräftereserven brach. Große Potenziale sind insbesondere bei älteren Nichterwerbstätigen festzustellen sowie bei Frauen mittleren Alters, die aufgrund von familiären Verpflichtungen aus dem Erwerbsleben ausscheiden oder in Teilzeit arbeiten. Auch Jugendliche bzw. junge Erwachsene (häufig schlecht qualifiziert) sowie Personen mit Migrationshintergrund bilden einen nicht zu vernachlässigenden Teil der Arbeitskräftereserve.
Stärkere personalpolitische Anpassungen der KMU zukünftig erforderlich
Die Erschließung dieser Arbeitskräftereserven erfordert spezifische personalpolitische Maßnahmen, die auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten sind. Im Hinblick auf ältere Beschäftigte z. B. geht es vor allem um die Aufrechterhaltung der physischen und psychischen Arbeitsfähigkeit durch eine entsprechende Arbeitsgestaltung sowie um die Sicherstellung der Qualifikation durch berufslebensbegleitende Weiterbildung. Im Hinblick auf weibliche Beschäftigte stehen hingegen Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Vordergrund. Ein Teil der Unternehmen setzt solche Maßnahmen bereits ein. Die KMU, vor allem die kleineren unter ihnen, erweisen sich im Vergleich zu Großunternehmen in dieser Hinsicht als weniger aktiv. Auch wenn jedes KMU für sich selbst herausfinden muss, ob und gegebenenfalls wie seine Personalpolitik anzupassen ist, steht fest, dass die Mehrzahl der Unternehmen auf Dauer wird umdenken müssen. Durch flankierende Maßnahmen in den Bereichen Zuwanderungs-, Familien- und Bildungspolitik kann der Staat einen Beitrag zur Erschließung der Arbeitskräftereserven leisten.
KMU können mittels immaterieller Anreize ihren Rekrutierungserfolg erhöhen
Eine weitere Strategie liegt in der Steigerung der sogenannten Arbeitgeberattraktivität. Damit ist die Fähigkeit eines Unternehmens angesprochen, neue Mitarbeiter für sich zu gewinnen und bereits Beschäftigte an sich zu binden. Die Attraktivität eines Arbeitgebers wird durch die angebotenen materiellen und immateriellen Anreize bestimmt. Im Hinblick auf die materiellen Anreize können die KMU in der Regel nicht mit den großen Unternehmen mithalten. Im Hinblick auf immaterielle Anreize aber haben insbesondere die kleinen, teils aber auch die mittleren Unternehmen durchaus auch Vorteile gegenüber Großunternehmen. So bewerten die Beschäftigten kleiner Unternehmen die Arbeitsbedingungen in Hinblick auf abwechslungsreiche Tätigkeiten, selbstständige Gestaltung des Arbeitsablaufes und Einbindung in wichtige Unternehmensentscheidungen besser als die Beschäftigten von Großunternehmen. Weitere Analysen belegen, dass kleine Unternehmen, die ihren qualifizierten Mitarbeitern mehrheitlich diese Anreize anbieten, ihre Stellenbesetzungsprobleme spürbar reduzieren können. In der Gestaltung solcher Anreizbündel samt ihrer glaubwürdigen Kommunikation liegen somit Ansatzpunkte für KMU, im Wettbewerb um Fachkräfte zu bestehen.